Vor 35 Jahren wurde Deutschland wiedervereint. Was damals als „Ende der Geschichte“ bezeichnet wurde, erwies sich jedoch nicht mal als das Ende des 20. Jahrhunderts. Denn bis heute durchleben wir immer noch sein letztes Kapitel.
Der wichtigste internationale Vertrag rund um die Deutsche Einheit blieb als „4+2“ in der Geschichte. Die „4“ stand für die vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs – Frankreich, das Vereinigte Königreich, die USA und die UdSSR. Die „2“—für die demokratische Bundesrepublik Deutschland und das sowjetische Besatzungsregime in Ostdeutschland, bekannt als DDR. Letztere sollte von der Landkarte verschwinden, ihr Territorium Teil der Bundesrepublik Deutschland werden.
Und so kam es. „4+2=Einheit“ wurde zur ultimativen Antwort auf ein dystopisches 20. Jahrhundert, das einst von Orwells „2+2=5“ gezeichnet war. Der Vertrag beendete nicht nur die sowjetische Besatzung Ostdeutschlands, sondern beschleunigte auch den Zerfall der UdSSR selbst. Manche sehen darin das Ende des Kalten Krieges. Man könnte es ebenso als das Ende des Zweiten Weltkriegs begreifen. Es waren das Dritte Reich und die UdSSR, die 1939 diesen Krieg entfesselten. Das erstere wurde 1945 besiegt. Zweiteres—1991.

Es war eine Zeit neuer Hoffnung, eine Zeit, in der man schon die helle Zukunft am Horizont des annähernden Jahrtausendwechsels sehen konnte. Goodbye Lenin. Hello world. Die Deutsche Einheit war in der Tat von „Ende der Geschichte“-Stimmung geprägt—mit Scorpions’ Wind of Change, die Hymne die für immer über den Ruinen der Berliner Mauer nachzuhallen schien, und mit „soldiers passing by“ in eine friedliche Ewigkeit. “The world was closing in”—Europa erweiterte sich, die Freiheit verbreitete sich.
Aber 35 Jahre später schreibe ich diese Worte unter dem Heulen von Luftalarm und in Erwartung einer weiteren Nacht russischen Terrors in einer europäischen Hauptstadt. Und es wird mir erneut bewusst: Wir leben nicht in einem Zeitalter der friedlichen Ewigkeit. Europa ist wieder im Krieg. Und es ist nicht so, dass einfach etwas ungeklärt schief lief – es ist Russland, das Europa den Krieg erklärt hat.

Russland wurde zum Hindernis für die helle Zukunft von uns allen. Nach dem Kalten Krieg weigerte es sich nicht nur, sich als Teil Europas zu begreifen, es entschied, ein “Anti-Europa” zu werden. Die bittere Wahrheit des heutigen Russlands ist, dass diese „Anti-Europa“—Haltung seine einzige nationale Idee darstellt. Dieser Wahn ist von Putins persönlichen Traumata geprägt. Nach seiner Jugend als KGB-Handlanger in Dresden sieht der überkompensierende Diktator die deutsche Wiedervereinigung wohl als die zweitgrößte geopolitische Katastrophe des zwanzigsten Jahrhunderts—nach dem Zerfall der UdSSR.
Russland führt heute seinen selbstmörderischen Krieg, weil es sowohl die Unabhängigkeit der Ukraine als auch die Europas leugnet. Es führt diesen Krieg, weil die Ukraine Europa ist. Es führt diesen Krieg, weil Europa die Ukraine ist. Der Kampf der Ukraine um Unabhängigkeit ist es, der Europa heute eint – es ist der Kampf von uns allen, und es ist der Kampf für uns alle.

Es wird der Tag der ukrainischen Wiedervereinigung sein—die volle Wiederherstellung unserer territorialen Integrität—der der Tag der wahren Einheit Europas sein wird. Dieser Tag wird nicht von selbst kommen. Kommen wird er, wenn Europa beharrlich mit all seiner Stärke dafür kämpft und sich vereint dafür konsequent einsetzt.
Doch selbst dann wird „das Ende der Geschichte“ nicht kommen. Der Tag wird jedoch das verspätete Ende des totalitären 20. Jahrhunderts markieren und endlich dieses schmerzhafte Kapitel abschließen. Besser spät als nie. Es ist jetzt oder nie.
Ich gratuliere unseren wahren deutschen Freunden, die sich als unsere verlässlichen Verbündeten erwiesen haben, zum Tag der Deutschen Einheit. Danke, dass ihr 2025 für die gleichen Werte eintretet wie 1990.
Es lebe Europa!
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